Das OLG Karlsruhe entschied mit Beschluss vom 14.07.2020, dass sog. „Pedelec“ nicht nur straßenverkehrsrechtlich, sondern auch strafrechtlich als Fahrrad und nicht als Kfz einzustufen sind.
Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Angeklagte war als Fahrer eines Pedelecs mit einer Fahrradfahrerin, die unter Missachtung der Vorfahrt des Angeklagten auf seinen Fahrweg einbog, kollidiert. Bei dem Angeklagten wurde durch die Vorinstanzen ein Blutalkoholwert von maximal 1,59 ‰ festgestellt. Genügend Anhaltspunkte für eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr unter dem Aspekt der sog. relativen Fahruntüchtigkeit, sprich ein Blutalkoholwert von min. 0,3 ‰ sowie alkoholtypische Ausfallerscheinungen, lagen nicht vor. Der Sachverhalt konnte auch nicht als Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG eingestuft werden. Eine solche liegt dann vor, wenn beim Führen eines KFZ ein Atemalkoholwert von min. 0,25 mg/l in der Atemluft oder min. 0,5‰ Alkohol im Blut nachgewiesen wird. Bei dem hier genutzten Pedelec handele es sich jedoch nicht um ein KFZ im straßenverkehrsrechtlichen Sinne, da das Pedelec eine Begrenzung der motorunterstützten Geschwindigkeit auf 25 km/h gem. § 1 III StVG vorweist.
Die Staatsanwaltschaft erhob deshalb gegen den Angeklagten den Tatvorwurf der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr. Allerdings haben ihn sowohl das erstinstanzliche Amtsgericht als auch das Landgericht als Berufungsinstanz freigesprochen. Gegen den Freispruch des Landgerichts legte die Staatsanwaltschaft Revision zum Oberlandesgericht ein.
Der Senat des OLG entschied, dass Elektrofahrräder mit Begrenzung der motorunterstützten Geschwindigkeit auf 25 km/h strafrechtlich nicht als Kraftfahrzeuge einzustufen seien.
Laut dem Senat des OLG kommt es für die Frage, ab welchem Blutalkoholwert ein Fahrer eines sog. Pedelecs unwiderlegbar fahruntüchtig (also nicht mehr als zum Führen eines Fahrzeugs geeignet anzusehen) ist, nicht darauf an, ob Pedelecs straßenverkehrsrechtlich als Kraftfahrzeuge einzuordnen sind oder nicht. Es würde jedoch nahe liegen, dass Pedelec sowohl straßenverkehrsrechtlich als auch strafrechtlich als Fahrrad und nicht als Kfz einzustufen seien, heißt also, dass der Kraftfahrzeugbegriff des StGB grundsätzlich entsprechend der Legaldefinition im StVG zu bestimmen ist.
Es stellt sich also die Frage, wann eine absolute Fahrunsicherheit i. S. d. §§ 315 c I Nr. 1 a, 316 StGB bei Fahrern von „Pedelecs“ vorliegt.
Durch den OLG-Senat erfolgte der Hinweisbeschluss, dass es sich (nach ständiger Rechtsprechung des BGH) bei der Bestimmung eines Grenzwertes für die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht um ein normatives Merkmal, sondern um die rechtliche Anerkennung gesicherten naturwissenschaftlich-medizinischen Erfahrungswissens i. S. d. Erfahrungsgesetzes handelt. Nach der Feststellung des Senats lägen jedenfalls derzeit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, wonach die Leistungsfähigkeit von „Pedelec“-Fahrern anders zu bewerten sei als bei „normalen“ Fahrradfahrern. Momentan ist also auch beim „Pedelec“ der für Fahrradfahrer geltende Wert von 1,6 ‰ Alkohol im Blut heranzuziehen.
Da es sich nach Einordnung des Senats bei einem Pedelec nicht um ein KFZ i.S.d. des StVG handelt, kann auch der Grenzwert von 0,5 ‰ Alkohol im Blut aus § 24 a StVG, ab dem eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, nicht herangezogen werden.
Außerdem können keine Fahrerlaubnismaßnahmen gem. § 69 StGB bei einer Trunkenheitsfahrt mit dem Pedelec getroffen werden.
EXKURS: Elektroroller
Anders als nunmehr beim „Pedelec“ entschieden, verhält es sich bei Elektrorollern. Es handelt sich bei diesen um Kraftfahrzeuge i.S.d. § 1 eKFV. Ein solcher Elektroroller darf nicht genutzt werden, wenn der Fahrer durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen.
In strafrechtlicher Hinsicht gilt für Elektroroller deshalb die für KFZ angewandte Grenze der relativen und absoluten Fahruntüchtigkeit, sprich eine Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Strassenverkehr oder wegen gefährlichen Eingriffs in den Strassenverkehr nach §§ 315c, 316 StGB liegt vor, wenn der Fahrer bei einem Blutalkoholwert von 0,3 ‰ sog. alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zeigt (relative Fahruntüchtigkeit) oder einen Blutalkoholwert von 1,1 ‰ aufweist (absolute Fahruntüchtigkeit). Vgl. hierzu Tomson/Wieland NZV 2019, 446; Jahnke, NZW 2019, 601.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.07.2020 – 2 Rv 35 Ss 175/20
Rechtsanwalt Daniel Krug
Unter Mitwirkung von Rechtsreferendarin Nadine Schwechheimer